Phönix-ETS

Vom Dampf zur Energieneutralität

 

Einsatz von Tanninen im Dampfkessel: Natürlicher Korrosionsschutz mit historischem Erbe

Tannine (Gerbstoffe) waren bis Mitte des 20. Jahrhunderts pflanzliche Basisstoffe der Kesselwasserbehandlung. Aus Extraken von Rinden (z. B. Quebracho) oder Früchten gewonnen, nutzten sie natürliche Komplexbildungseigenschaften für kombinierten Schutz gegen Kalkablagerungen und Korrosion. Obwohl heute durch synthetische Polymere weitgehend ersetzt, finden sie in Nischenanwendungen noch Beachtung.

1. Wirkmechanismen: Komplexierung und Passivierung

Tannine wirken über drei chemische Prinzipien:

  • Härtebildner-Komplexierung:
    Polyphenolische Gruppen binden Calcium- und Magnesiumionen zu wasserlöslichen Komplexen. Dies verhindert die Ausfällung von Kesselstein (CaCO₃) als kristalline Ablagerungen.
  • Eisen-Passivierung:
    Tannine reagieren mit Eisenoberflächen zu einer dünnen Eisen-Tannat-Schicht (Fe-Tannat). Diese schirmt das Metall vor Sauerstoff und korrosiven Ionen ab.
  • Schlammkonditionierung:
    Sie agglomerieren feine Partikel (Eisenoxid, ausgefallene Härte) zu größeren Flocken, die leichter abgeschlammt werden können.

2. Praktische Anwendung: Dosierung und Grenzen

  • Rohstoffe und Dosierung:
    Traditionell als flüssiger Extrakt (z. B. aus Kastanien) in den Speisewasserbehälter dosiert. Typische Konzentration: 50–200 mg/l.
  • Temperaturabhängigkeit:
    Wirksam bis ~150°C; bei höheren Drücken (>15 bar) zersetzen sie sich rasch.
  • Kombination mit Alkalien:
    Wurde oft mit Soda (Na₂CO₃) oder Natriumhydroxid (NaOH) kombiniert, um den pH-Wert zu stabilisieren (Ziel: pH 10–11).
  • Kritische Grenzen:
    • Geringe Härtetoleranz: Bei hartem Wasser (>5 °dH) unzureichend.
    • Organische Zersetzung: Unter Hitze entstehen organische Säuren (Essig-, Ameisensäure), die korrosiv wirken.

3. Vorteile im historischen Kontext

  • Natürliche Verfügbarkeit:
    Biologisch abbaubar und einfach aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnbar.
  • Multifunktionalität:
    Kombinierter Schutz gegen Kalk, Korrosion und Schlammbildung in einem Schritt.
  • Materialverträglichkeit:
    Keine Angriffe auf Kupferlegierungen (im Gegensatz zu Ammoniak).

4. Nachteile und Gründe für den Niedergang

  • Instabile Wirkung:
    Zersetzungsprodukte erhöhen den CSB (Chemischer Sauerstoffbedarf) und senken lokal den pH-Wert.
  • Schaumbildung:
    Organische Komponenten fördern Schaum im Kessel → Risiko für Wassermitreißer im Dampf.
  • Unpräzise Steuerung:
    Schwankende Zusammensetzung pflanzlicher Extrakte erschweren reproduzierbare Ergebnisse.
  • Moderne Alternativen:
    Synthetische Polymer-Dispergatoren (z. B. Polyacrylate) und Phosphonate wirken gezielter, hinterlassen weniger Rückstände und sind hitzestabiler.

Zusammenfassung: Vom Standard zum Nischenprodukt

Tannine repräsentieren eine frühe Ära der Kesselwasserchemie, in der natürliche Rohstoffe technische Probleme lösten. Ihre Stärke lag in der kombinierten Wirkung gegen Kalkablagerungen, Korrosion und Schlamm – gestützt auf biochemische Komplexbildung und Passivierung.

Doch ihre thermische Instabilitätunvorhersehbare Zersetzung und das Aufkommen leistungsfähigerer Synthetika verdrängten sie ab den 1950er Jahren. Heute sind Tannine nur noch relevant in:

  • Historischen Anlagen (Museumsdampfmaschinen)
  • Öko-zertifizierten Nischen mit Fokus auf “grüne” Chemie
  • Kombiprodukten als Zusatz für Passivierungsschichten

Technisches Erbe: Tannine legten den Grundstein für moderne Dispergator-Konzepte. Ihr Prinzip – die Maskierung von Härteionen durch organische Moleküle – lebt in synthetischen Polymeren fort. Für Hochdruck- oder Reinstdampfsysteme sind sie jedoch historische Relikte.

Hinweis: Bei experimentellem Einsatz sind strenge Überwachung von pH, Leitfähigkeit und Schlammvolumen nötig. Moderne Kesselbetreiber setzen auf präzise steuerbare Alternativen.

Phönix-ETS hält Ihre Energieanlagen verfügbar:
Von Störungsbeseitigung an Dampfkesseln bis hin zu Energieberatung für optimierte Betriebskosten