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Vom Dampf zur Energieneutralität

Filmbildner in der Kesselwasserchemie – Unsichtbare Schutzschichten mit großer Wirkung

In Dampferzeugungsanlagen und Kondensatsystemen gehört Korrosion zu den kritischsten Schadensursachen.
Neben klassischen Verfahren wie Sauerstoffbindung und pH-Korrektur hat sich in den letzten Jahren eine Technologie etabliert,
die auf molekularer Ebene wirkt: filmbildende Amine, kurz Filmbildner.
Diese organischen Substanzen bilden ultradünne, hydrophobe Schutzschichten auf Metalloberflächen,
die den Kontakt zwischen Wasser, Sauerstoff und Metall unterbinden – ohne die Wärmeübertragung wesentlich zu beeinflussen.

Während traditionelle Konditionierungsmittel hauptsächlich das Wasser chemisch stabilisieren,
wirken Filmbildner direkt an der Oberfläche und verhindern elektrochemische Reaktionen.
In modernen Systemen sind sie damit ein integraler Bestandteil einer dreistufigen Korrosionsschutzstrategie:
Neutralisierung, Sauerstoffbindung und Filmbildung. [1]

Hinweis: Filmbildner wirken nur auf sauberen, metallisch blanken Oberflächen.
Ablagerungen, Oxidreste oder Öle behindern die Adsorption der Moleküle und mindern den Schutz erheblich. [2]

Chemische Struktur und Wirkmechanismus

Die meisten industriell genutzten Filmbildner sind langkettige Alkylamine, etwa Octadecylamin (ODA) oder Hexadecylamin.
Sie bestehen aus einer polaren Aminogruppe (–NH₂), die eine Affinität zu metallischen Oberflächen aufweist,
und einer langen unpolaren Alkylkette (C₁₆–C₁₈), die einen wasserabweisenden Bereich bildet.

Im Kontakt mit Metalloberflächen adsorbieren diese Moleküle spontan:
Die Aminogruppe bindet chemisch oder physikalisch an die Metallionen (Fe, Ni, Cr),
während die Kohlenwasserstoffkette sich radial nach außen orientiert.
So entsteht eine **hydrophobe Schutzschicht**, die aus einer Monolage oder mehreren Moleküllagen besteht.
Diese Schicht verhindert, dass Wasser, Sauerstoff und Ionen die Oberfläche erreichen. [3]

Der entscheidende Vorteil liegt in der Selbstorganisation:
Filmbildner richten sich entlang der Metalloberfläche aus,
bilden geschlossene Filme und reparieren kleine Defekte selbstständig – ein Phänomen,
das als Selbstheilungseffekt bezeichnet wird.

Filmbildung im thermodynamischen Kontext

Die Adsorption von Filmbildnern folgt den Gesetzen der physikalischen Chemie,
insbesondere dem Langmuir-Adsorptionsmodell.
Der Filmaufbau ist ein dynamischer Prozess, der von Temperatur, pH-Wert, Oberflächenspannung und Ionenkonzentration abhängt.

Bei Temperaturen zwischen 80 °C und 150 °C verläuft die Adsorption besonders effizient,
da die erhöhte kinetische Energie die Molekülbewegung begünstigt.
Ab ca. 200 °C beginnt der thermische Abbau der organischen Ketten – weshalb die Auswahl des richtigen Amins entscheidend ist.

Filmbildner mit höherem Siedepunkt (z. B. Octadecylamin)
bleiben auch in Hochdrucksystemen stabil, während kurzkettere Amine (z. B. Dodecylamin)
bevorzugt in Niederdrucksystemen eingesetzt werden. [4]

 

Einfluss auf Wärmeübertragung und Systemeffizienz

Eine häufige Sorge beim Einsatz von Filmbildnern betrifft mögliche negative Auswirkungen auf die Wärmeübertragung.
Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Schichtdicke im Bereich weniger Nanometer liegt (typisch 5–15 nm)
und damit den Wärmefluss kaum behindert. [5]

Im Gegenteil: Durch die Vermeidung von Korrosions- und Ablagerungsschichten
bleibt der Wärmeaustausch langfristig stabil.
In Praxisversuchen wurde festgestellt, dass Filmbildner den Wärmedurchgangskoeffizienten
sogar verbessern können, da die Oberflächen sauber und glatt bleiben.

Dosierung und Überwachung

Die Dosierung von Filmbildnern erfolgt in Abhängigkeit von Systemvolumen, Druck und Materialoberfläche. Typische Anfangsdosierungen liegen zwischen 3 und 10 mg/l, um eine vollständige Filmbildung zu erreichen. Danach wird die Konzentration auf einen Erhaltungswert von etwa 1 bis 3 mg/l reduziert.

Der Aufbau der Schutzschicht dauert meist 7 bis 14 Tage kontinuierlicher Dosierung. Eine Unterbrechung oder Änderung der Wasserchemie kann den Film destabilisieren, weshalb eine regelmäßige Überwachung notwendig ist.

Kontrollmechanismen umfassen:

  • Überwachung der Restamin-Konzentration im Kondensat mittels Gaschromatografie oder Titration
  • Korrosionsmessung mit Online-Sensorik (z. B. LPR-Messzellen)
  • Visuelle Inspektion von Testcoupons nach Betriebsphasen
Tipp: Die beste Wirksamkeit erzielen Filmbildner, wenn sie nach einer gründlichen chemischen Reinigung des Systems appliziert werden. Alte Ablagerungen oder Magnetitschichten können die Ausbildung eines gleichmäßigen Films verhindern. [6]

Typische Vertreter

Amin Formel Vorteile Nachteile
Octadecylamine CH₃(CH₂)₁₇NH₂ Stabile Filme, hohe Hydrophobie Schlechte Wasserlöslichkeit
Hexadecylamine CH₃(CH₂)₁₅NH₂ Schnellere Adsorption ↓ Langzeitstabilität
Oleylamine C₁₈H₃₅NH₂ Besser löslich Teurer
Sicherheitshinweise
  • Gesundheit: Reizend für Augen/Schleimhäute (Handschuhe & Brille obligatorisch!).
  • Entsorgung: Kondensat als organisch belastet behandeln (Bioabbau langsam).
  • Brandrisiko: Entzündbar ab 120°C (Octadecylamin: Flammpunkt 148°C).

Interaktion mit Wasserchemie und anderen Additiven

Filmbildner wirken synergistisch mit pH-Korrekturmitteln und Sauerstoffbindern. In der Regel werden sie in Kombination mit Ammoniak oder Diethylaminoethanol (DEAE) eingesetzt, um gleichzeitig chemische Neutralisierung und physikalischen Oberflächenschutz zu erzielen.

Bei falscher Kombination oder Überdosierung können jedoch Schaum- oder Emulsionsprobleme auftreten. Besonders kritisch ist der Kontakt mit Öl oder Tensiden, da diese die Adsorptionsfähigkeit der Filmbildner stark reduzieren. [7]

Deshalb ist die Einhaltung der Speisewasserqualität gemäß VDI 2035 und VGB-Richtlinie S010 T06 zwingend erforderlich.

Praxisbeispiele und Wirksamkeitsnachweise

In einer Studie der International Water Conference (IWC 2022) wurde der Einfluss filmbildender Amine in Hochdruck-Dampfsystemen untersucht. Nach 500 Betriebsstunden zeigten mit Filmbildner behandelte Proben bis zu 90 % geringere Masseverluste durch Korrosion als unbehandelte Referenzproben. [8]

Auch Untersuchungen von GE Water & Process Technologies bestätigen, dass ODA-basierte Filme eine elektrochemische Potentialverschiebung um bis zu +300 mV bewirken – ein Indikator für stark reduzierte anodische Aktivität.

In Kraftwerksanlagen, die Filmbildner einsetzen, konnte der Instandhaltungsaufwand für Kondensatleitungen um bis zu 40 % gesenkt werden. Der Effekt ist nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch relevant, da weniger Chemikalien und Wasser benötigt werden.

Aktuelle Entwicklungen – „Next Generation Film Forming Amines“

Neue Generationen von Filmbildnern kombinieren unterschiedliche Alkylkettenlängen und funktionelle Gruppen, um die Stabilität bei hohen Temperaturen zu erhöhen. So entstehen polymere Aminmischungen, die eine verbesserte Filmintegrität auch bei Drücken über 100 bar gewährleisten. [9]

Fortschritte in der analytischen Messtechnik, etwa die Nutzung von FTIR- und AFM-Analysen, ermöglichen es heute, Filmdicken im Nanometerbereich exakt zu bestimmen und die Verteilung über Rohrlängen hinweg zu überwachen.

Fazit – Molekularer Schutz für moderne Dampfsysteme

Filmbildner sind die unsichtbaren Wächter der Kesselwasserchemie. Sie verlängern die Lebensdauer metallischer Komponenten, reduzieren Korrosion und senken den Wartungsaufwand. Ihre Wirkung basiert auf präziser Chemie, die nur dann ihr volles Potenzial entfaltet, wenn Dosierung, Wasserqualität und Anlagenführung exakt abgestimmt sind.

Phönix-ETS unterstützt Betreiber bei Auswahl, Dosierung, Monitoring und Validierung von Filmbildnern – für maximalen Schutz, Wirtschaftlichkeit und Anlagenverfügbarkeit.

Quellen & Rechtlicher Hinweis

  1. ScienceDirect – Film Forming Amines in Steam-Water Cycles
  2. PubChem – Octadecylamine (C₁₈H₃₉N)
  3. VGB – Boiler Water and Steam Quality Guidelines (2023)
  4. ISO 81691 – Water Treatment Chemicals for Industrial Boilers
  5. ResearchGate – Film Forming Amines in Boiler Systems (2023)
  6. VDI 2035 – Vermeidung von Schäden in Warmwasserheizungsanlagen
  7. GE Water Handbook – Boiler Systems and Chemistry
  8. IWC Conference 2022 – Film Forming Amine Performance Studies
  9. Patent: Next-Generation Film Forming Amine Compositions (2024)

Disclaimer (Stand: 13. Oktober 2025):
Dieser Beitrag beschreibt chemisch-physikalische Prinzipien und Einsatzbedingungen filmbildender Amine in industriellen Dampfsystemen.
Alle Angaben basieren auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik.
Für anlagenspezifische Dosierstrategien, Grenzwerte oder Sicherheitsbewertungen sind die jeweiligen Herstellervorschriften und Normen maßgeblich.
Der Text ersetzt keine individuelle technische Beratung oder Gefährdungsbeurteilung.

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