Vom Dampf zur Energieneutralität
Der Sauerstoffgehalt im Kessel- und Speisewasser zählt zu den entscheidenden Faktoren für die Lebensdauer einer Dampferzeugungsanlage.
Schon wenige Mikrogramm gelöster O₂ können Korrosionsreaktionen auslösen, die metallische Oberflächen angreifen,
Wärmeübertragung verschlechtern und Leckagen begünstigen.
Um das zu verhindern, werden Sauerstofffänger eingesetzt – chemische Reduktionsmittel, die den gelösten Sauerstoff
zu harmlosen Produkten umwandeln. Einer der modernsten Vertreter ist Diethylhydroxylamin (DEHA).
DEHA kombiniert hohe Reaktivität mit geringer Toxizität und ist damit der bevorzugte Hydrazinersatz in
Kesselwasserbehandlungen. Es schützt nicht nur aktiv vor Korrosion, sondern fördert zusätzlich die Bildung
einer stabilen Magnetit-Schutzschicht (Fe₃O₄) auf Eisenoberflächen.
Hinweis: Hydrazin war über Jahrzehnte der Standard in der Kesselwasserchemie, wurde jedoch wegen seiner
karzinogenen Wirkung durch Alternativen wie DEHA weitgehend ersetzt. [1]
Chemische Formel: C₄H₁₁NO Molarer Masse: 89,14 g/mol Dichte: 0,89 g/cm³ (bei 20 °C) Siedepunkt: ca. 128 °C
DEHA ist ein sekundäres Hydroxylamin und wirkt als starkes Reduktionsmittel. In wässrigen Lösungen reagiert es mit gelöstem Sauerstoff nach folgender vereinfachter Reaktionsgleichung:
2 (C₂H₅)₂NOH + O₂ → 2 (C₂H₅)₂NO + 2 H₂O
Dabei wird O₂ vollständig zu Wasser reduziert. Die entstehenden Reaktionsprodukte sind organische Nitrosoverbindungen, die unter den Betriebsbedingungen von Dampfsystemen schnell weiter oxidiert und biologisch abbaubar sind. DEHA ist bei Temperaturen bis etwa 300 °C thermisch stabil und kann daher auch in Hochdrucksystemen eingesetzt werden. [2][3]
Über Jahrzehnte galt Hydrazin (N₂H₄) als Standard-Sauerstofffänger. Es reduziert Sauerstoff effizient, ist jedoch hochtoxisch und steht auf mehreren Gefahrenstofflisten. DEHA bietet hier eine umweltfreundliche und sichere Alternative – mit gleichwertiger Schutzwirkung.
Tipp: In Systemen mit mehrstufiger Druckführung und langen Rückläufen zeigt DEHA durch seine Flüchtigkeit eine gleichmäßigere Schutzwirkung als nichtflüchtige Sulfit-basierte Sauerstofffänger.
Der Schutzmechanismus von DEHA beruht auf zwei Synergieeffekten: der chemischen Sauerstoffbindung und der elektrochemischen Stabilisierung der Metalloberfläche.
Durch Reduktion von O₂ verhindert DEHA die Bildung von Fe₂O₃ (Hämatit) – dem instabilen Rost – und fördert stattdessen die Bildung einer dichten, schützenden Magnetitschicht (Fe₃O₄). Diese Schicht passiviert die Oberfläche und reduziert den Elektronentransfer zwischen Metall und Wasser. [6][7]
Gleichzeitig adsorbiert DEHA partiell an der Metalloberfläche, wodurch der direkte Angriff von Sauerstoffmolekülen weiter erschwert wird. Diese doppelte Wirkung – chemisch und physikalisch – macht DEHA besonders effizient.
Die optimale Dosierung hängt von Sauerstoffbelastung, Systemvolumen und Betriebsdruck ab. In der Praxis wird DEHA im Bereich von 0,5 – 2,0 mg/l bezogen auf Speisewasser dosiert. Bei hohem Sauerstoffeintrag oder nach längeren Stillständen kann eine temporär erhöhte Stoßdosierung sinnvoll sein.
Zielwert: Rest-O₂ unter 10 µg/l (bzw. 0,01 ppm). Überwachung erfolgt über Online-Sauerstoffmessung oder Titrationsmethoden nach DIN EN ISO 5815. Ergänzend kann die Bildung von Magnetit durch optische oder elektrochemische Prüfungen validiert werden.
Wichtig ist ein kontinuierlicher Dosiermodus (z. B. in Speisewasserstrang oder Entgaserabgang), um Gleichgewicht und Schutzschicht konstant zu halten.
DEHA ist mit den meisten neutralisierenden Aminen (z. B. Morpholin, DEAE) kompatibel. In modernen AVT-Programmen (All Volatile Treatment) wird es häufig gemeinsam mit flüchtigen Basen eingesetzt.
Nicht kompatibel ist DEHA mit starken Oxidationsmitteln (z. B. Hypochlorit, Peroxide) – sie zersetzen das Hydroxylamin und führen zu instabilen Zwischenprodukten. In Systemen mit organischen Ablagerungen sollte vor Einführung eine chemische Reinigung erfolgen, um die Sauerstoffreaktion nicht zu behindern.
DEHA ist leicht flüchtig, brennbar und reagiert in konzentrierter Form exotherm mit Oxidationsmitteln. Die Handhabung erfolgt daher in geschlossenen Systemen, Dosierstationen oder über Vormischlösungen. Persönliche Schutzausrüstung (Handschuhe, Brille, Atemschutz bei Dampfkontakt) ist obligatorisch. [5][8]
Toxikologisch liegt DEHA deutlich unterhalb der Gefährdungsklasse von Hydrazin. Es ist biologisch abbaubar und verursacht keine persistenten Rückstände im Abwasser. Dennoch gelten bei Einleitung in Gewässer die Grenzwerte nach Abwasserverordnung (Anhang 38, Chemische Industrie). [9]
DEHA findet Anwendung in:
In Kraftwerksversuchen wurde nachgewiesen, dass DEHA den Korrosionsratenwert auf weniger als 5 µm/Jahr senken kann. [10] Gleichzeitig stabilisierte sich die Magnetitschicht bereits nach 72 Betriebsstunden vollständig.
DEHA ist ein moderner, umweltfreundlicher und hocheffizienter Sauerstofffänger für die Kesselwasserchemie. Es verbindet hohe Reaktivität mit niedriger Toxizität und bietet einen zusätzlichen passivierenden Effekt auf Metalloberflächen. Durch seine Flüchtigkeit schützt es sowohl Speisewasser- als auch Kondensatsysteme – und übertrifft damit klassische nichtflüchtige Alternativen in komplexen Anlagen deutlich.
Phönix-ETS bietet Beratung, Dosierkonzepte und Analytik für den optimalen DEHA-Einsatz – von der Erstinbetriebnahme bis zur Langzeitüberwachung.
Disclaimer (Stand: 13. Oktober 2025):
Diese Darstellung dient der technischen und chemischen Orientierung über DEHA in der Wasser-Dampf-Konditionierung.
Alle Angaben erfolgen nach bestem Kenntnisstand. Für konkrete Dosier- oder Sicherheitsentscheidungen sind die
aktuellen Herstellerdatenblätter, Normen und Betriebsbedingungen maßgeblich.
Dieser Text ersetzt keine individuelle technische Beratung oder Gefährdungsbeurteilung.
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