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Vom Dampf zur Energieneutralität

2-Diethylaminoethanol: Chemie zwischen Nutzen und Risiko

Man riecht ihn, bevor man ihn sieht: ein scharfer, ammoniakartiger Ton, der verrät, dass hier ein aktiver chemischer Stoff im Spiel ist. 2-Diethylaminoethanol – kurz DEAE – klingt harmlos, fast unscheinbar, ist aber in der chemischen Industrie ein wichtiger Baustein. Er verbindet zwei Welten: die Reaktionsfreude der Amine und die Löslichkeit der Alkohole. Diese Dualität macht ihn nützlich – und gefährlich zugleich.

DEAE gehört zu den sogenannten Aminoalkoholen, Substanzen, die sowohl eine Amino- als auch eine Hydroxygruppe tragen. Diese Struktur ermöglicht es dem Molekül, sowohl als Base als auch als Alkohol zu reagieren – ein Grund, warum es in vielen Prozessen als Katalysator, pH-Stabilisator oder Zwischenprodukt eingesetzt wird. [1] Doch gerade diese Reaktivität erfordert einen bewussten Umgang – denn wo Chemie Energie freisetzt, lauern auch Risiken.

Hinweis: Dieser Artikel erläutert chemische Eigenschaften, Anwendungen und rechtliche Rahmenbedingungen von 2-Diethylaminoethanol. Für Labor- oder Industrieeinsätze sind stets Sicherheitsdatenblätter, Betriebsanweisungen und Gefährdungsbeurteilungen heranzuziehen.

Struktur, Geruch und Verhalten – ein Blick in die Chemie

Mit der Summenformel C₆H₁₅NO gehört 2-Diethylaminoethanol zu den mittleren, leicht flüchtigen Aminoalkoholen. Es erscheint als klare, farblose Flüssigkeit, die sich in Luft leicht durch einen stechenden, ammoniakähnlichen Geruch bemerkbar macht. Sein Siedepunkt liegt bei rund 161 °C, die Dichte bei 0,884 g/cm³.[2] Die Verbindung ist hygroskopisch, zieht also Feuchtigkeit aus der Luft an, und ist mit Wasser vollständig mischbar.

Chemisch gesehen ist DEAE eine Base: In Wasser nimmt sie Protonen auf und bildet Protonierungsprodukte – ein Verhalten, das in der pH-Regulierung von Formulierungen genutzt wird. Gleichzeitig kann die Hydroxygruppe an Kondensations- oder Veresterungsreaktionen teilnehmen. Diese Kombination macht DEAE zu einem reaktiven Multifunktionsstoff in vielen industriellen Synthesen.[3]

Wo es eingesetzt wird: Vom Katalysator bis zur Beschichtung

Die Anwendungspalette von 2-Diethylaminoethanol ist breit. In der Pharmaindustrie wird es als Zwischenprodukt bei der Synthese von Medikamenten genutzt, beispielsweise in der Herstellung von Lokalanästhetika und Polymeren für kontrollierte Freisetzungen. [4]

In der Wasseraufbereitung dient DEAE als pH-Stabilisator, insbesondere in geschlossenen Kühlkreisläufen oder Kesselwasseranlagen, um Korrosion zu verhindern. Es kann Kohlensäure neutralisieren und metallische Oberflächen vor Säureangriff schützen. [5]

Auch in der Lack- und Beschichtungsindustrie ist DEAE verbreitet – als Bestandteil von Bindemitteln und Harzformulierungen, die den Glanz, Verlauf und die chemische Beständigkeit verbessern. Darüber hinaus findet es Verwendung in der Herstellung von Ionenaustauschharzen, Emulgatoren und Polyurethan-Katalysatoren. [6]

Doch jeder Einsatz verlangt Kontrolle: Wegen seiner Reaktivität muss DEAE exakt dosiert und stabilisiert werden. Schon geringe Mengen können die Zusammensetzung empfindlicher Systeme verändern.

Risiken und Gefahren: Was die Datenblätter sagen

Im Sicherheitsdatenblatt (SDS) wird 2-Diethylaminoethanol als entzündbare Flüssigkeit der Kategorie 3 klassifiziert – mit einem Flammpunkt von etwa 41 °C und einer ausgeprägten Tendenz zur Bildung explosiver Dampf-Luft-Gemische. [7]

Noch entscheidender ist jedoch seine ätzende Wirkung. DEAE greift Haut, Schleimhäute und Augen stark an. Der Kontakt kann zu Verätzungen, Husten und Reizungen der Atemwege führen. Bei Einatmen oder Verschlucken wirkt der Stoff akut toxisch. [7]

Die offizielle Einstufung nach CLP-Verordnung (EG 1272/2008) lautet:

  • H226: Flüssigkeit und Dampf entzündbar
  • H302: Gesundheitsschädlich bei Verschlucken
  • H311/H331: Giftig bei Hautkontakt oder Einatmen
  • H314: Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden

Diese Kombination aus Brennbarkeit und ätzender Wirkung macht DEAE zu einem klassischen Beispiel für einen Stoff, der technische Präzision und Disziplin verlangt – vom Labor bis zur industriellen Anlage.

Umweltverhalten und biologische Abbaubarkeit

Im Umweltkontext zeigt DEAE ein ambivalentes Profil. Einerseits ist es laut OECD-Tests leicht biologisch abbaubar – über 95 % innerhalb von 22 Tagen (aerob). Andererseits können in Gewässern kurzfristig toxische Effekte auftreten. Bei Algen wurde eine EC50 (72 h) von 44 mg/l gemessen, bei Daphnien eine Immobilisierung ab 165 mg/l (48 h). [7]

Für Fische liegen LC50-Werte bei etwa 180 mg/l (96 h), was DEAE als mäßig wassergefährdend einstuft. [7] In der deutschen Kennzeichnung wird der Stoff der Wassergefährdungsklasse 2 zugeordnet. Entsprechend sind Auffangwannen, belüftete Lagerzonen und abwassertechnische Sicherheitseinrichtungen verpflichtend.

Positiv ist die geringe Bioakkumulation: Ein BCF (Biokonzentrationsfaktor) unter 6 zeigt, dass DEAE in Organismen kaum gespeichert wird. [8]

Rechtlicher Rahmen & betriebliche Pflichten

In der EU ist 2-Diethylaminoethanol vollständig unter der REACH-Verordnung (EG) 1907/2006 registriert. Hersteller und Importeure müssen Stoffdaten über physikalische, toxikologische und ökotoxikologische Eigenschaften melden. [9]

Für Unternehmen bedeutet das: Sicherheitsdatenblätter aktuell halten, Mitarbeitende regelmäßig unterweisen und Gefahrstoffverzeichnisse führen. In Deutschland gelten ergänzend die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sowie die TRGS 510 für Lagerung entzündbarer Flüssigkeiten.

Auch die Vorschriften zur Transportkennzeichnung (ADR) greifen: UN 2686, Klasse 8 (ätzend), Verpackungsgruppe II. Die Kombination aus ätzend und entzündlich stellt erhöhte Anforderungen an Verpackung und Beförderung. [10]

Sichere Handhabung: Schutz und Prävention

Wer mit DEAE arbeitet, muss konsequent auf Sicherheit achten. Persönliche Schutzausrüstung ist obligatorisch: Schutzhandschuhe, Schutzbrille, Atemschutz und flüssigkeitsdichte Kleidung. Arbeitsplätze sind mit Abzügen oder Zwangsbelüftung auszustatten. [11]

Beim Verschütten gilt: Flüssigkeit mit inerten Bindemitteln aufnehmen, in dicht verschlossenen Behältern sammeln und als gefährlichen Abfall entsorgen. Kontakt mit Metallen vermeiden, da unter Umständen entzündbare Gase entstehen können. [12]

Die Schulung von Personal ist hier kein Formalismus, sondern gelebte Prävention. Fehler in der Lagerung oder Entsorgung können schwerwiegende Folgen haben – nicht nur für Menschen, sondern auch für Umwelt und Betriebsgenehmigung.

Fazit: Verantwortung ist Teil der Chemie

2-Diethylaminoethanol ist ein Paradebeispiel dafür, dass Chemie immer zwei Seiten hat: die der Innovation und die der Verantwortung. In den richtigen Händen ist DEAE ein vielseitiges Werkzeug – in den falschen eine ernsthafte Gefahr. Die Kombination aus Reaktivität, Brennbarkeit und Ätzwirkung macht ihn zu einem Stoff, der Expertise verlangt. Doch mit Disziplin, Wissen und Sicherheitskultur lässt sich beides vereinen: Effizienz und Schutz.

Am Ende zeigt sich: Fortschritt in der Chemie ist nicht nur eine Frage neuer Moleküle, sondern auch der Fähigkeit, mit bekannten Stoffen verantwortungsvoll umzugehen.

Quellen & Rechtlicher Hinweis

  1. Wikipedia – 2-Diethylaminoethanol (Grunddaten & Struktur)
  2. PubChem – Stoffdatenbank Eintrag CID 8112
  3. Ataman Chemicals – Technische Eigenschaften
  4. Sigma-Aldrich – Anwendung & Reaktivität
  5. Merck – Sicherheitsdatenblatt 2-Diethylaminoethanol (Stand 2024)
  6. CAMEO Chemicals – Gefahrenprofil DEAE
  7. ECHA – Registrierungsdossier & Umweltangaben
  8. UBA – Daten zu Abbaubarkeit & Wassergefährdung
  9. REACH-Verordnung (EG 1907/2006)
  10. UN-ADR 2025 – Klassifizierung gefährlicher Güter
  11. EU-OSHA – Richtlinien für sicheres Arbeiten mit Chemikalien
  12. BAuA – TRGS 510 Lagerung entzündbarer Flüssigkeiten

Disclaimer (Stand: 14. Oktober 2025):
Diese Seite stellt eine fachlich recherchierte Zusammenfassung zu chemischen, rechtlichen und ökologischen Aspekten von 2-Diethylaminoethanol (DEAE) dar. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine betriebliche oder sicherheitstechnische Beratung. Chemikalienverordnungen, Klassifizierungen und Grenzwerte können sich ändern; maßgeblich sind stets die aktuellen Sicherheitsdatenblätter, REACH- und CLP-Regelungen sowie nationale Gefahrstoffvorschriften. Der sachgemäße Umgang liegt in der Verantwortung des Betreibers bzw. Arbeitgebers.

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