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Vom Dampf zur Energieneutralität

Einsatz von Morpholin in der Dampfkesselwasserbehandlung: Schutz durch flüchtige Alkalisierung

Morpholin (C₄H₉NO) ist ein zyklisches Amin, das in Dampfkesselanlagen als flüchtiger Alkalisierer eingesetzt wird. Sein Hauptzweck ist der Korrosionsschutz im Kondensatsystem, das durch Kohlendioxid (CO₂) gefährdet ist. Im Gegensatz zu festen Alkalisierungsmitteln (wie Natriumhydroxid) verteilt sich Morpholin mit dem Dampf im gesamten Kreislauf und wirkt gezielt gegen säurebedingte Schäden, ohne den Kessel mit Salzen zu belasten.

1. Chemische Wirkungsweise: Neutralisation und Pufferung

Morpholin reagiert mit Kohlensäure (H₂CO₃), die entsteht, wenn CO₂ aus dem Kesselwasser in den Dampf übergeht und im Kondensat wieder gelöst wird: C4H9NO + H2CO3 → C4H9NOH+ + HCO3

  • Neutralisation: Das basische Morpholin bindet Wasserstoffionen (H⁺) aus der Kohlensäure und hebt den pH-Wert an.
  • Pufferwirkung: Es bildet ein pH-stabiles System (optimal bei pH 8,5–9,0), das plötzliche pH-Einbrüche verhindert.
  • Flüchtigkeit: Morpholin verdampft mit dem Dampf und erreicht so jeden Punkt des Kondensatsystems.

2. Praktische Anwendung: Dosierung und Kombination

  • Dosierung:
    Morpholin wird kontinuierlich in den Speisewasserbehälter oder die Speisewasserleitung injiziert. Die Menge richtet sich nach der CO₂-Last (abgeleitet aus der Hydrogencarbonat-Konzentration). Typisch sind 2–10 mg/l im Speisewasser.
  • Überwachung:
    Der pH-Wert im Kondensat wird laufend gemessen (Ziel: 8,5–9,0). Ein Absinken unter pH 8,0 deutet auf unzureichende Dosierung hin.
  • Kombinationstherapie:
    Morpholin wird oft mit flüchtigen Sauerstofffängern (z. B. DEHA) kombiniert. Während Morpholin CO₂ neutralisiert, eliminiert DEHA restlichen Sauerstoff – so entsteht ein Rundumschutz gegen Korrosion.
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3. Vorteile gegenüber Ammoniak: Kupferverträglichkeit

Morpholin ist die sichere Alternative zu Ammoniak, wenn Kupferlegierungen (z. B. in Wärmetauschern) im System verbaut sind:

  • Keine Kupferkorrosion: Ammoniak bildet mit Kupfer lösliche Komplexe, die zu Spannungsrisskorrosion führen. Morpholin hat eine geringe Affinität zu Kupfer und greift die Schutzschicht nicht an.
  • Berechenbare Verteilung:
    Morpholin verteilt sich proportional zum Dampfanteil (“Verteilungskoeffizient”). Dadurch lässt sich der pH-Wert im Kondensat präziser steuern als bei Ammoniak.
  • Geruchsarm: Im Gegensatz zum stechenden Ammoniak-Geruch ist Morpholin für Personal weniger belästigend.

4. Grenzen und Sicherheitshinweise

  • Temperaturlimit:
    Bei über 300°C zersetzt sich Morpholin zu Essigsäure und Ammoniak, was korrosive Effekte verstärken kann. Daher ungeeignet für Ultrahochdruckkessel (>120 bar).
  • Umweltaspekte:
    Morpholin ist biologisch schwer abbaubar und erhöht den CSB im Abwasser. Es unterliegt der CLP-Verordnung (Ätzwirkung auf Haut/Schleimhäute).
  • Sicherheitsmaßnahmen:
    Handhabung nur mit Schutzhandschuhen und Brille. Bei Leckagen: Lüften, Neutralisationsmittel bereithalten.
  • Kein Alleinschutz:
    Morpholin wirkt nur gegen CO₂-Korrosion. Gegen Sauerstoffkorrosion oder Kesselstein sind zusätzlich Sauerstofffänger (z. B. DEHA) und Phosphate/Polymere nötig.

Zusammenfassung: Morpholin als zielgerichteter Kondensatschutz

Morpholin ist ein unverzichtbarer Baustein in der Wasserchemie von Dampfsystemen mit Kupferkomponenten oder präzisen pH-Anforderungen. Seine Stärke liegt in der flüchtigen Alkalisierung, die CO₂-induzierte Korrosion im gesamten Kondensatnetz verhindert – ohne Salzanreicherung im Kessel. Im Vergleich zu Ammoniak bietet es überlegene Kupferverträglichkeit und eine präzisere pH-Steuerung. Für einen umfassenden Schutz muss es jedoch mit Sauerstofffängern kombiniert werden. Einsatzgrenzen ergeben sich bei sehr hohen Temperaturen (>300°C) oder strengen Umweltauflagen. In Industriekraftwerken und Anlagen mit gemischten Werkstoffen bleibt Morpholin eine ausgereifte Lösung für langfristige Systemintegrität.

Hinweis: Die Wahl zwischen Morpholin, Ammoniak oder anderen Aminen (z. B. Cyclohexylamin) hängt von der Systemkonfiguration, Materialien und Betriebsbedingungen ab. Eine Wasseranalyse ist Voraussetzung für die optimale Dosierung.

 

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